Osteoporose

Leitlinie

Die aktuelle Österreichische Leitlinie zur Behandlung der Osteoporose finden Sie hier:

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ÄTIOLOGIE UND PATHOGENESE

Das Krankheitsbild der Osteoporose ist durch einen Verlust an Knochenmasse, Knochenarchitektur und Knochenfestigkeit charakterisiert. Dieser Verlust ist Folge einer Störung des physiologischen Knochenumbaus (Remodelings) in Richtung einer verstärkten Knochenresorption. Häufig ist nicht nur die Knochenresorption gesteigert, sondern zusätzlich die osteoblastäre Knochenformation eingeschränkt.

Die Pathogenese der Osteoporose ist multifaktoriell und kann durch Umwelteinflüsse, Systemerkrankungen sowie hormonelle und pharmakologische Einflüsse begünstigt werden.

Auf molekularer Ebene kommt dem RANKL/RANK/OPG-System als zentralem Steuerungsmechanismus der Osteoklastenaktivität eine besondere Bedeutung zu. Bei den meisten Osteoporoseformen konnte eine Verschiebung des RANKL/OPG-Verhältnisses zugunsten des proresorptiv wirksamen RANKL nachgewiesen werden. Die Osteoblastenfunktion wird wesentlich durch den Wnt/ß-Catenin-Signalweg reguliert. Wnt-Inhibitoren wie Sklerostin und Dickkopf-1 hemmen die Knochenformation und verstärken den osteoporoseassoziierten Knochenverlust.

Bei der Mehrzahl der Patientinnen tritt die Osteoporose als eine chronische Erkrankung mit einem dauerhaft erhöhten Frakturrisikoauf.

POSTMENOPAUSALE OSTEOPOROSE

Östrogene sind die Hormone mit dem größten Einfluss auf den Knochenstoffwechsel. Bei prämenopausalen Frauen ist das von den Ovarien produzierte 17ß-Estradiol (E2) das bedeutsamste, während in der Postmenopause das Östrion (E1) an Bedeutung gewinnt. E1 wird in zahlreichen Geweben gebildet, u.a. im Knochen.

Die Menopause einer Frau ist der Zeitpunkt, wo ihre Fortpflanzungsfähigkeit endet. Durch die Abnahme der ovariellen Geschlechtshormonproduktion kommt es zu einem klinischen Komplex, der kardiovaskuläre und urogenitale, aber auch osteologische Veränderungen nach sich zieht.

Während die natürliche Menopause der Frau im Schnitt zwischen dem 45. Und 55. Lebensjahr auftritt, steigt parallel dazu die Lebenserwartung weiter. Diese epidemiologische Entwicklung führt dazu, dass viele Frauen zumindest 3 Lebensdekaden ohne Einfluss der natürlichen Östrogene leben und altern. Dies ist nahezu gleichbedeutend mit einem Drittel der Gesamtlebenserwartung einer Frau.

OSTEOPOROSE BEI MÄNNERN

Hochrechnungen zufolge sind in Deutschland über 6 Millionen Menschen von Osteoporose betroffen. Zwar sind dabei die über 5 Millionen Frauen die klare Mehrheit, aber mit über einer Million betroffenen Männern allein in Deutschland ist die männliche Osteoporose keine Nischenerkrankung.

Zur Früherkennung der Osteoporose müssen Patienten mit einem hohen Frakturrisiko identifiziert werden, um zukünftige Frakturen durch therapeutische Interventionen zu verhindern.

Ein flächendeckendes Screening ist nur durch die systematische Erfassung von Osteoporose-Risikofaktoren möglich, um Patienten zu selektieren, die einer weiteren Abklärung mittels Laboruntersuchungen und radiologischer Diagnostik inklusive Knochendichtemessung zugeführt werden sollten.

Das therapeutische Spektrum zur Behandlung der männlichen Osteoporose hat sich in den letzten Jahren günstigerweise erheblich erweitert und umfasst Therapeutika sowohl mit antiresorptiver als auch osteoanaboler Wirkung.

Bei der Abklärung der männlichen Osteoporose ist aufgrund des hohen Anteils „sekundärer Osteoporosen“ nach Risikofaktoren zu fahnden. Neben der üblichen Labordiagnostik sollte ein Sammelurin auf Kalzium durchgeführt werden, um eine idiopathische Hyperkalziurie zu erkennen. Durch die hohe Frakturprävalenz einerseits und die hohe Komorbidität hinsichtlich degenerativer Wirbelsäulenerkrankungen bei Männern ist eine Bildgebung der Wirbelsäule indiziert.

JUVENILE IDIOPATHISCHE OSTEOPOROSE

Die juvenile idiopathische Osteoporose (JIO) ist eine seltene Erkrankung, die meist im Grundschulalter beginnt und ihren Abschluss mit Ende der Wachstumsphase findet. Das Knochenbruchrisiko ist erhöht, Fragilitätsfrakturen sind häufig das erste Symptom.

Die Diagnose wird durch den Ausschluss anderer Ursachen einer Skelettinstabilität gestellt und kann durch osteodensitometrische Verfahren untermauert werden.

GLUKOKORTIKOIDINDUZIERTE OSTEOPOROSE

Glukokortikoide haben einen sehr hohen Stellenwert bei der Behandlung verschiedener Erkrankungen. Aktuell wird etwa 1% der Bevölkerung in den entwickelten Ländern mit Glukokortikoiden behandelt. Ihre Hauptwirkungen bestehen in Entzündungshemmung und Immunsuppression/-modulation. Hier entfalten sie ausgeprägte und therapeutisch wichtige Wirkungen, die bei ihrer Einführung in die klinische Medizin vor mehr als 60 Jahren Anlass zur Euphorie gaben. Bald aber erkannte man, dass diese Medikamente auch unerwünschte Wirkungen auslösen, insbesondere, wenn sie in höheren Dosen über längere Zeit appliziert werden. Die glukokortikoidinduzierte Osteoporose ist eine der wichtigsten dieser unerwünschten Wirkungen.

OSTEOPOROSE BEI ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHEN ERKRANKUNGEN

Bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen manifestiert sich nicht selten eine sekundäre Osteoporose, da viele der im Entzündungsprozess gebildeten Faktoren auch in den Knochenstoffwechsel eingreifen. Die Knochendichte ist dann vermindert und die Mikroarchitektonik des trabekulären Knochens so verändert, dass das Frakturrisiko erhöht ist. Um diesen Veränderungen therapeutisch begegnen zu können, hat das Verständnis um die zugrunde liegenden immunologischen Prozesse in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Eine enge Verzahnung von Immunsystem und Knochenstoffwechsel scheint hierbei der zentrale Aspekt zu sein. So fungieren proinflammatorische Zytokine gleichzeitig als Stimulatoren der Osteoklastengenese und sind damit auch essenzielle Mediatoren der Knochenresorption.

SEKUNDÄRE OSTEOPOROSE

Als Folge einer Vielzahl chronischer Erkrankungen kann es zu einem Verlust an Knochenmasse kommen. Die Erkrankungen müssen nicht unmittelbar zu einer Osteoporose führen. Ein wichtiges Charakteristikum ist, dass der Knochenverlust schleichend vonstatten geht und u.U. erst erkannt wird, wenn es bereits zu einer Fraktur gekommen ist oder eine Knochendichtemessung durchgeführt wird.

Zumeist tragen viele Faktoren zur Ätiologie der Knochenentwicklungsstörung bei chronischen Erkrankungen bei. Zu ihnen zählen die Inflammation, die Gabe von Medikamenten, die mangelnde körperliche Aktivität, Fehlernährung und Endokrinopathien.

DIABETES UND OSTEOPOROSE

In den letzten Jahren wurde die Bedeutung der diabetischen Osteopathie als Ursache von Fragilitätsfrakturen erkannt. Ein gemeinsames Merkmal der Knochenpathophysiologie bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes ist eine verminderte Knochenneubildung.

Allerdings ist die Knochendichte beim Typ-2-Diabetes – im Gegensatz zum Typ-1-Diabetes – oft erhöht; die Osteopathie bei Patienten mit Typ-2-Diabetes ist somit ein Paradigma für eine Beeinträchtigung der Knochenfestigkeit trotz hoher Knochendichte. Mit hochauflösenden bildgebenden Techniken wurde eine erhöhte kortikale Porosität als eine wichtige Ursache der verminderten Knochenfestigkeit identifiziert.

SCHILDDRÜSENFUNKTIONSSTÖRUNGEN ALS URSACHE EINER OSTEOPOROSE

Bei der Abklärung sekundärer Osteoporosen findet sich in 5,6-6.4% der Fälle eine Schilddrüsenfunktionsstörung. Eine Schilddrüsenfunktionsstörung ist ein Risikofaktor für eine erniedrigte Knochendichte und für osteoporotische Frakturen, unabhängig von Alter und Geschlecht.

QUERSCHNITTSLÄHMUNG

Die Querschnittslähmung verursacht insbesondere bei einem kompletten Ausfall der motorischen Funktionen einen plötzlichen und extremen Verlust der durch die Muskulatur auf den Knochen übertragenen mechanischen Kräfte. Aufgrund der fehlenden Verformungen des Knochens erfolgt entsprechend der Mechanostat-Therapie ein sofort einsetzender und extremer Knochenabbau, der zu einer Osteoporose sowie einem erhöhten Risiko von Frakturen ohne adäquates Trauma führt. Neben der fehlenden Muskelaktivität werden auch weitere Faktoren wie zum Beispiel eine Atrophie des vaskulären Systems und eine Gewebeazidose für die Verminderung der Knochendichte diskutiert.

Eine pharmakologische Therapie z.B. mit Bisphosphonaten kann bei aktuell noch sehr eingeschränkter und widersprüchlicher Datenlage nicht allgemein empfohlen werden. Die Anwendung mechanischer Kräfte durch Stehen/Gehen mit Hilfsmitteln oder funktioneller Elektrostimulation (FES) kann zu einer Verlangsamung und Verminderung des Knochenabbaus führen.